Nun also endlich habe ich Hap & Leonard kennengelernt, dieses berühmt berüchtigte ungleiche Duo der Kriminalliteratur. Vor gut 30 Jahren erschien mit „Wilder Winter“ der erste Band mit den beiden Freunden. Der Golkonda Verlag hat jetzt sechs Bände der Reihe von Joe R. Lansdale als ansprechende limitierte Taschenbuchausgaben herausgegeben und mir damit den Anlass zu Kauf und Lektüre leicht gemacht.
Ungleiche Partner gibt es inzwischen zuhauf, schließlich macht ein wenig zwischenmenschliche Dissonanz so manche Ermittlung gleich interessanter. Wie weit auseinander die Unterschiede liegen dürfen, um der Geschichte nicht zu schaden oder übertrieben zu wirken, darin liegt die große Kunst der Schreiberei. Joe R. Lansdale hat sich gleich ganz weit aus dem Fenster gelehnt, denn er bringt im Süden der USA einen Weißen und einen Schwarzen zusammen. Einer Kriegsdienstverweigerer, der andere Vietnamveteran. Der eine mag Frauen, der andere Männer. Beide sind Tagelöhner, die sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Meistens helfen sie auf einer nahe gelegenen Rosenfarm aus, doch so richtig reicht es nicht.
Hap – der heterosexuelle weiße Kriegsdienstverweiger, bekommt eines Tages Besuch von seiner Ex-Frau Trudy, der er, sobald er in ihrer Nähe ist, sofort verfällt. Für einen sonst recht abgeklärten Typen wie ihn, eine sonderbare Verhaltensweise, die entsprechend Unverständnis und Ablehnung beim schwulen Veteran Leonard verursacht. Doch alle guten Hinweise und Vorsätze nützen Hap nichts, wenn Trudy ihn bezirzt.
Nach mehreren herben Enttäuschungen schafft Hap es auch diesmal nicht und zieht Leonard mit in eine Unternehmung, die beiden eine hübsche Summe Dollar einbringen soll. Nachdem die Schatzsuche mit den drei komischen Freunden von Trudy irgendwann ihren positiven Verlauf nimmt, wandelt sich für Hap und Leonard das Bild ganz plötzlich. Und die Überraschungen hören ab da nicht mehr auf. Das Duo darf sich nicht nur mit politischen Idealisten aus der Vergangenheit abgeben, zu denen Hap auch mal gehörte, am Ende geraten sie an wirklich üble und gefährliche Kriminelle und es geht um Leben und Tod.
Hap Collins und Leonard Pine, das sind zwei Kumpel die nicht immer einer Meinung sind, sich aber aufeinander verlassen können. Eine Freundschaft, in der jeder die Macken des anderen genauestens kennt und gerne seinen Spaß damit hat, sein Gegenüber damit ein wenig aufzuziehen. Und seien es die geliebten Vanillekekse von Leonard, die er so sehr mag, dass er sie auch mit Hap nicht teilen mag. Ein wenig Schrulligkeit steht den beiden mutigen Männern zu, die ansonsten nicht vom Glück verfolgt werden.
„Hast du irgendeine Vorstellung, wo wir gerade hinfahren?“, fragte Leonard. „Klar. Du kennst mich doch. Ich verirre mich nie. Ich… .“ „Du bist nur ein bisschen desorientiert. Spar dir den Quatsch. Ich sehe doch, dass du nicht die geringste Ahnung hast, wo wir gerade sind.“ „Es wird mir schon wieder einfallen.“
Die erfrischenden Wortgefechte, die die freundschaftliche Zuneigung stets bestätigen, sind deutlich in ihrer Ansprache und nicht selten ziemlich derb. Es gibt kein Tabuthema, unverkrampft wird mit den Gegebenheiten umgegangen und was nicht gefällt, wird beim Namen genannt. Hap und Leonard sind zwei Idealisten, die nach ihrem Gewissen entscheiden und nicht immer für ihre Umgebung einschätzbar sind. Zwei Kampfsportversessene, die bodenständig geblieben sind und trotz aller handfesten Momente, zu einem humanen menschlichen Miteinander neigen.
„Während du den Reifen wechselst, werde ich mich ein bisschen umschauen. Irgendwie kommt mir die Gegend hier sehr bekannt vor.“ „So, jetzt kommt´s dir auf einmal bekannt vor. Kaum geht es ans Reifenwechseln, schon kennst du die Gegend wie deine Westentasche.“ „Ich hab nur gesagt, dass sie mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich bin gleich wieder da.“ „Wann ist gleich?“ „Ungefähr dann, wenn ich mir sicher sein kann, dass du mit dem Reifenwechsel fertig bist.“
Joe R. Lansdale gelingt zum Auftakt seiner Serie ein schnörkeloses Abenteuer, das Lust auf mehr macht. Die Mischung aus Detektiv – und Actiongeschichte, eingebettet in eine straffe Handlung, bereitet wirklich Freude. Herausragend die Dialogführung, die durch ihre Direktheit überzeugt und den beiden Hauptfiguren eine wohltuende Schlagfertigkeit verleiht. Die Auseinandersetzung mit den Idealen der 60er-Jahre-Bewegung und dem terroristischen Neuansatz zur Wiederbelebung stellt den ernsten Hintergrund des Buches dar, in dem sich der Autor klar über seine Figuren positioniert.
JOE R. LANSDALE, „Wilder Winter“, Golkonda
Ein Gedanke zu „Joe R. Lansdale – Wilder Winter“