Ein völlig neues Leseerlebnis begann für mich Ende der 1990er Jahre, als ich mein erstes Buch von T.C. Boyle gelesen habe. „Grün ist die Hoffnung“, der zweite Roman des 1948 geborenen Schriftstellers und bereits 1984 im Original erschienen, war der Auslöser einer intensiven Phase, in der ich in gut zwei Jahren alle bis dahin auf deutsch verlegten Werke las. Alle, also auch die Erzählungen, die mir nochmals einen Schub Begeisterung brachten.
Inzwischen ist das Gesamtwerk des schreibsüchtigen Amerikaners, der sich im Sommer gerne in eine abgelegene Waldhütte begibt und von dort Wanderungen unternimmt, weiter angewachsen. Selbstverständlich habe ich das Erscheinen jedes neuen Buches aufmerksam verfolgt. Das mediale Echo um den Autoren ist stetig gewachsen; seine offene und umgängliche Art lassen seine Lesungen mit den anschließenden Marathon-Signierstunden zu besonderen Veranstaltungen im Literaturbetrieb werden. Ein Popstar der Literatur, wer das so nennen will.
Zu den Romanen „Die Terranauten“, der sich mit dem realen Projekt eines künstlich geschaffenen Überlebensraumes beschäftigt, und der LSD-Historie um Timothy Leary in „Das Licht“, gibt es auf den LESESEITEN ausführliche Besprechungen.
Was Boyle über seine lange Schaffensphase gelungen ist, nämlich neue Generationen für seine Literatur zu begeistern, ist für die meisten Schriftsteller ein Traum. Sein Erfolg basiert dabei auf den gewählten Themen und deren Einbettung in einen unterhaltsamen fiktiven Kontext. Das er sich oftmals für gesellschaftlich kontrovers aufgenommene historische Ereignisse und Personen entscheidet, kennzeichnet Boyles Gespür für die besonderen Themen, mit denen er eine gewisse Aufmerksamkeit erzeugen kann. Der Blick zurück ist oft der Blick in den Spiegel der Gegenwart. An ihm können alle teilnehmen. Mit seiner literarischen Stimme schafft er eine Öffentlichkeit für seine Themen und regt zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung an.
Schon lange setzt er sich für einen umweltbewussten Umgang mit unserem Planeten ein. In seinem Roman „Ein Freund der Erde“ kann dies am eindrücklichsten nachgelesen werden. Die soziale Spaltung der Gesellschaft stellt er in „America“ in den Mittelpunkt. Es ist der Roman, der an Aktualität stetig dazugewonnen hat und derzeit durch die Politik der amerikanischen Regierung wie ein Abbild der Gegenwart wirkt. Bereits 1996 erschienen und bereits da ein zeitgemäßes Abbild der Lage der illegalen Einwanderer und dem sozialen Gebaren der Mittel- und Oberschicht, ist „America“ sicherlich Boyles wichtigster Roman. Die abschließende Einschätzung ist natürlich subjektiv; der Roman für mich aber eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe.
In den nächsten Tagen erscheint nun der neue Roman von T.C. Boyle. Unter dem Titel „Sprich mit mir“ steht wiederum ein Forschungsprojekt im Mittelpunkt: Können wir mit Tieren kommunizieren und ihnen eine gemeinsam verständliche Sprache beibringen, so dass sie uns ihre eigenen Gedanken und Gefühle mitteilen können? Ungalublich, aber ja, nicht mehr und nicht weniger wird versucht. Der Proband ist ein Schimpanse und um ihn herum gibt es ein paar von Boyle genauer betrachtete Menschen. Doch dazu dann mehr in meiner Besprechung, die pünktlich zum Erscheinen der deutschen Ausgabe im Januar 2021 hier auf dem Blog folgt.
Übrigens, wie schon beim Vorgängerroman „Das Licht“ geschehen, erscheint „Sprich mit mir“ noch vor den englischen Ausgaben im deutschsprachigen Raum.
Die Werke von T.C. Boyle erscheinen beim Hanser Verlag und als Taschenbuch bei dtv.
Mein erster Boyle war tatsächlich Wassermusik – was für ein Roman. Sehr vielseitig ist er mittlerweile geworden, der Autor. Das Licht steht auch noch ungelesen hier. Hart auf hart fand ich großartig und gerade am 06.01.2021 sehr aktuell. LG, Bri
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