Archiv der Kategorie: Literatur

Vladimir Sorokin – Der Tag des Opritschniks


Der Roman wurde bereits 2006 veröffentlicht und stellt eine utopische Vision von Russland im Jahr 2027 dar, in der sich Mittelalter und Moderne auf kuriose Weise kreuzen.

Im „Heiligen Russland“ regiert eine militärisch organisierte und gläubige Elite unter autokratischer Führung. Für die Umsetzung der politischen Ziele und des Machterhaltes gibt es eine furchteinflössende Spezialeinheit: Die Opritschniki. Diese mit besonderen Befugnissen versehene Einheit konzentriert sich vorallem um politisch abtrünnige Meinungsträger. Im Roman erzählt ein ranghoher Opritschnik von seinem Alltag und enthüllt so die skrupellose und korrupte Vorgehensweise der staatlichen Behörden.

Vladimir Sorokin, der derzeit in Berlin lebt, ist einer der bedeutendsten russischen Autoren der Gegenwart und wegen seiner Kritik am System Putin in seiner Heimat von regierungsfreundlichen Organisationen schon lange angefeindet. Sein Aufenthalt in Berlin darf als direkte Reaktion auf die derzeit schwierigen Verhältnisse für Menschen mit abweichender Meinung zu den offiziellen Behörden verstanden werden. Kurz gesagt: Sorokin ist ins vorläufige Exil gegangen.

Seine visionären Romane sind stets mit den politischen Themen seines Landes verwoben. Verlagert wird die Handlung In eine andere Zeit. Unter Einbeziehung der russischen Mystik oder historischer Details entwickelt Sorokin eigenwillige und unverwechselbare Plots, die ihn unter den zeitgenössischen Schriftstellern hervorhebt. Sein satirischer Stil ist gespickt mit derbem Sprachgebrauch, was nicht immer für leichte Lektüre sorgt, jedoch für Authentizität sorgt.

Geradezu erschreckend ist sein Vorausblick politischer Entwicklungen. In „Der Tag des Opritschniks“ spiegelt sich auf unglaubliche Weise auch die derzeitige Gegenwart wieder. Wahrlich ein Buch der Stunde, dessen Lektüre gerade jetzt einen ganz besonderen Eindruck hinterlässt.


VLADIMIR SOROKIN, „Der Tag des Opritschniks“, Kiepenheuer & Witsch

Sorokin

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Douglas Stuart – Shuggie Bain

Ohne Umschweife muss gleich im ersten Satz „Shuggie Bain“ als der Roman charakterisiert werden, der zu Herzen geht und dessen Autor Douglas Stuart eine außergewöhnliche Sprache gefunden hat, die mit den traurigsten Momenten so würdevoll umgeht, das es viel leichter fällt, weiter zu lesen und Anteil zu nehmen, an den ersten fünfzehn Lebensjahren des schottischen Jungen Hugh Bain, genannt Shuggie.

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Colson Whitehead – Harlem Shuffle

Nach zwei thematisch bedrückenden Romanen ( „Underground Railroad“ und „Die Nickel Boys“), für die er jeweils mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, veröffentlicht der Amerikaner Colson Whitehead nun mit „Harlem Shuffle“ einen an das Krimigenre angelehnten Roman und führt seine chronistische Darstellung des Lebens der schwarzen Bevölkerungsgruppe der Vereinigten Staaten fort.

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Haruki Murakami – Erste Person Singular

Nicht immer müssen die Dinge und Ereignisse in unserem Leben einen tieferen Sinn ergeben. Und nicht immer lassen sich die Dinge und Ereignisse in unserem Leben bis auf das Letzte ergründen. Ja, und nicht immer ist die Lektüre von Texten, die sich an den vorangestellten Aussagen orientieren, eine besonders anregende oder erfreuliche Lektüre. Der neue Erzählband „Erste Person Singular“ von Haruki Murakami kann sich rühmen, trotz Erfüllung der Aussagen der ersten beiden Sätze, auf vollkommendste Weise zu unterhalten.

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Ottessa Moshfegh – Der Tod in ihren Händen

Selten hat mich ein Buch so gespalten, wie „Der Tod in ihren Händen“ von Ottessa Moshfegh. Und darin liegt auch die großartige Leistung der amerikanischen Autorin, die eine vermeintliche Suspense-Geschichte aufzieht, die meine Nerven bei der Lektüre bis an die Grenzen des Aushaltbaren führte. Das lag aber nicht am Spannungsfaktor.

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T.C. Boyle – Sprich mit mir

Sie sind unsere engsten biologischen Verwandten und begleiten mich kulturell schon mein ganzes Leben: Die Affen. Vor langer Zeit habe ich „Die Frau und der Affe“ des dänischen Schriftstellers Peter Hoeg gelesen. Noch viel früher faszinierten und schüchterten mich gleichzeitig die Filme der „Planet der Affen“- Reihe ein, deren Vorlage der Roman des Franzosen Pierre Boulle ist. Jetzt steigt auch T.C.Boyle in die literarische Verarbeitung unserer nächsten Artgenossen mit seinem neuen Roman „Sprich mit mir“ ein.

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T.C. Boyle – Eine Annäherung

Ein völlig neues Leseerlebnis begann für mich Ende der 1990er Jahre, als ich mein erstes Buch von T.C. Boyle gelesen habe. „Grün ist die Hoffnung“, der zweite Roman des 1948 geborenen Schriftstellers und bereits 1984 im Original erschienen, war der Auslöser einer intensiven Phase, in der ich in gut zwei Jahren alle bis dahin auf deutsch verlegten Werke las. Alle, also auch die Erzählungen, die mir nochmals einen Schub Begeisterung brachten. T.C. Boyle – Eine Annäherung weiterlesen

Alexander Osang – Die Leben der Elena Silber

Das 20. Jahrhundert mit seinen vielen Ereignissen und Veränderungen hat in Europa den Menschen große Umbrüche beschert, die aus einfachen Lebensläufen Biografien mit grundlegenen Veränderungen entstehen ließen. Im Titel des Romans „Die Leben der Elena Silber“ von Alexander Osang wird dies bereits angedeutet. Erzählt wird eine russisch-deutsche Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt die Lebensgeschichte der gebürtigen Russin Elena Silber steht. Einer Frau, die den Wandel der Zeit mit der Hoffnung endlich irgendwo „anzukommen“ bewältigt. Alexander Osang – Die Leben der Elena Silber weiterlesen

Nana Kwame Adjei-Brenyah – Friday Black

Mit dem Debütband „Friday Black“des amerikanischen Autoren Nana Kwame Adjei-Brenyah ist eine Storysammlung erschienen, in der überraschend kreativ mit aktuellen gesellschaftlichen Themen umgegangen wird und in deren Mittelpunkt People of Color  stehen. Das Erzählungen keine langweilige und wegen ihrer Kürze schnell wieder vergessene Lektüre sein können, beweist der in New York geborene Schriftsteller mit großer Vielseitigkeit. Nana Kwame Adjei-Brenyah – Friday Black weiterlesen

Ryu Murakami – In Liebe, Dein Vaterland

Der Blick in die Zukunft gehört zu den schwierigsten Dingen, die ein Mensch leisten kann. Damit sind nicht Vorhersagen gemeint, die jeder aus dem Alltag kennt. Nein, die Fragen, die es wirklich in sich haben, drehen sich um die Weiterentwicklung der Menschheit und unseres Planeten. Mit großer Begeisterung las ich die letzten Tage „In Liebe, Dein Vaterland“ von Ryū Murakami und war erstaunt, wie diese vor längerer Zeit entstandene Utopie des japanischen Autors mich so fesseln konnte. Das monumentale Werk des Schriftstellers und Filmemachers, das in zwei Bänden fast 1000 Seiten umfasst, wurde bereits 2005 veröffentlicht und ist im letzten Jahr beim österreichischen Verlag Septime in der Übersetzung von Ursula Gräfe auf deutsch erschienen. Ryu Murakami – In Liebe, Dein Vaterland weiterlesen