Schlagwort-Archive: Literatur

David Vann – Aquarium

Wer denkt bei einem Aquarium nicht an die beruhigende Ausstrahlung, die die große museale Unterwasserwelt mit ihren Bahnen ziehenden Meeresbewohnern hervorruft. Tatsächlich spielt ein solches Ausstellungshaus eine Rolle im neuesten Roman von David Vann, nur das sich aus der darin herrschenden friedvollen Atmosphäre ein ganzer Sturm von menschlichen Emotionen entfacht, wie man ihn nicht erwartet hätte. David Vann – Aquarium weiterlesen

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Donald Antrim – Die Hundert Brüder

Wenn hundert Männer an einem Abend zusammentreffen, darf man getrost davon ausgehen, dass es nicht langweilig wird. Der Amerikaner Donald Antrim muß die Sache allerdings auf die Spitze treiben und macht aus hundert Männern hundert Brüder. Sie alle kommen in der ziemlich heruntergekommenen familieneigenen Bibliothek zusammen, um eine wesentliche Frage zu klären: Den Verbleib der Urne ihres Vaters. Ein ungewöhnlicher Roman von einem kreativen Autor der hundert Prozent Unterhaltung bietet! Donald Antrim – Die Hundert Brüder weiterlesen

A.M. Homes – Das Ende von Alice

Pädophilie – kein einfaches Thema für einen Roman. Und das vorab: Öfter wird man sich fragen: Will ich das Lesen? Ungeschminkt werden Beschreibungen und Begrifflichkeiten verwendet, die ein Szenario erzeugen, mit dem man nicht so leicht sympathisiert. Doch wie die amerikanische Schriftstellerin A.M. Homes dieses Buch komponiert hat, verdient Beachtung. A.M. Homes – Das Ende von Alice weiterlesen

Scott Hutchins – Eine vorläufige Theorie der Liebe

Selten kommt es vor, dass ich ein Buch in die Hand nehme, weil mir der Buchtitel gefällt. Bei Scott Hutchins Debütroman war es sozusagen „Liebe“ auf den allerersten Blick. Und um die Liebe in ihren vielfältigen zwischenmenschlichen Formen geht es in diesem Roman, der mit Neill Bassett jr. einen Typen als Hauptfigur hat, aus dem man nicht immer schlau wird. Den ungewöhnlichen Rahmen bildet ein besonderes Vorhaben: Die Erschaffung einer künstlichen Intelligenz mit eigenem Bewusstsein. Scott Hutchins – Eine vorläufige Theorie der Liebe weiterlesen

John Steinbeck – Die Perle

Nur 94 Seiten misst der Roman „Die Perle“ von John Steinbeck. Das es mit so einem kurzen Umfang trotzdem möglich ist, seine Leser in eine berührende Geschichte eintauchen zu lassen, beweist der amerikanische Nobelpreisträger von 1962 eindrucksvoll. Für (vielleicht) zwei Stunden entführt der Autor uns in die Welt mexikanischer Perlentaucher, die in der pazifischen Küstenprovinz ein hartes Leben führen. Stimmungsvoll setzt Steinbeck die Landschaft und ihre Menschen in Szene und  erzählt eine Geschichte über Glück und Unglück, Glauben und Tradition – und vom Kampf eines Vaters für ein besseres Leben seines Sohnes. John Steinbeck – Die Perle weiterlesen

Richard Ford – Frank

In vier Erzählungen lässt der amerikanische Autor Richard Ford noch einmal seine bekannteste Figur – Frank Bascombe – zu Wort kommen. Dessen abwechslungsreiches Leben ist in einer umfassenden Trilogie verewigt und in die amerikanische Literaturgeschichte eingegangen. Für den zweiten Band, „Unabhängigkeitstag“, erhielt Ford sowohl den Pulitzer-Preis als auch den PEN/Faulkner-Award. Der umschließende Rahmen für die jetzt erschienenen Storys sind die verheerenden Auswirkungen, die 2012 der Hurrikan Sandy an der Ostküste der Vereinigten Staaten verursacht hat.

„…ich bin achtundsechzig und genieße die nächste Stufe des Lebens – wohl auch die letzte: Demografisch gehöre ich zur „Leertisch-Fraktion“, endlich frei, um Gutes zu tun, falls mir danach sein sollte…“

Frank Bascombe zieht einmal die Woche los, um am Flughafen heimkehrende Soldaten zu begrüßen und ihnen ein Heft zu überreichen, dass ihnen über die ersten Tage helfen soll. Außerdem liest er, ebenfalls wöchentlich, in einem regionalen Radiosender Naipauls Roman „Rätsel der Ankunft“ vor. Doch viel mehr will er dann eigentlich nicht von dieser Welt. Richard Ford – Frank weiterlesen

LESESPOT N°1 – Aus den Fugen

Ein Abend in Berlin, ein Konzert in der Philharmonie und seine einschneidenden Auswirkungen auf das Leben einiger Beteiligter. So könnte man den Roman „Aus den Fugen“ zusammenfassen.

Der Schweizer Alain Claude Sulzer erzählt in wechselnder Perspektive das zeitgleiche Geschehen am Abend eines Konzertes. LESESPOT N°1 – Aus den Fugen weiterlesen

Ryu Murakami – Coin Locker Babys

Ryu Murakami ist einer der Autoren, die schon lange in meinem Kopf herumgeistern. In diesem Jahr bot eine Neuerscheinung nun den Anlass für ein Kennenlernen des japanischen Namensvetters von Haruki Murakami. Beide sind nicht miteinander verwandt und auch literarisch – zumindest nach dieser Lektüre – bewegen sie sich eher in unterschiedlichen Welten. Ryu Murakami, der auch als Filmregisseur arbeitet („Tokio Dekadenz“), hat ein eher düsteres Japan vor Augen, dass nichts mit dem zum Teil märchenhaft-verträumten Szenarien bei Haruki Murakami zu tun hat.

Der Titel des Buches sei erklärt:  Als Coin Locker Babys werden in Schließfächer ausgesetzte Säuglinge bezeichnet. In der Regel sterben sie vor ihrem Auffinden. Grausam und mörderisch ist das, weil die Mütter den sicheren Tod des Kindes unter qualvollen Bedingungen in Kauf nehmen. Hashi und Kiku, die beiden Hauptfiguren des bereits 1980 erschienenen Romans, überleben diesen Akt auf wundersame Weise; vergessen werden sie ihre Herkunft als Coin Locker Babys jedoch nie.

Die Jungen treffen in einem Waisenhaus aufeinander und erleben – nach der späten Adoption durch Pflegeeltern – auf einer verfallenden Insel ihre Kindheit gemeinsam und fühlen sich dadurch wie Brüder. Die beiden sind allerdings völlig unterschiedlich. Hashi, der eher schwächlich wirkt, ist ein kommunikativer Typ und erfreut sich einer gewissen Beliebtheit. Der verschlossenere und stillere Kiku dagegen ist sehr sportlich und setzt lieber seinen Körper als seine Sprache ein. Ryu Murakami – Coin Locker Babys weiterlesen

Jonathan Franzen – Unschuld

Ich gebe zu, es war ein besonderer Augenblick, das neue Buch von Jonathan Franzen in den Händen zu halten. Besonders, wegen meiner Vorfreude, denn der Autor hatte mir mit seinen beiden Romanen „Die Korrekturen“ und „Freiheit“ großes Lesevergnügen bereitet. Franzen, der „Star“ der amerikanischen Gegenwartsliteratur, war in den letzten Wochen in allen Medien präsent, die Erwartungshaltung an sein neues Werk entsprechend hoch. In der Regel sorgt die vorgefasste Haltung der Leser bei den Nachfolgewerken eher für Enttäuschung. Für Franzen scheint das nicht zu gelten. Die Kritiken waren positiv und auch zu meiner Freude ist wieder ein erstaunlich gutes Buch entstanden.

Der über 800 Seiten umfassende Roman enthält Figuren aller Altersklassen mit ihren generationstypischen Problemen. Bereichert wird das ganze mit einem Ausflug in die neuere deutsche Geschichte.  Das alles irgendwie miteinander verknüpft ist, gehört zur guten Konstruktion dieses umfangreichen Romans. Jedes Kapitel bleibt einer Hauptfigur treu, die durchbrochene Chronologie gefällt dabei. Der Roman ist handlungsorientierter als seine Vorgänger, springt durch Kontinente und Zeiten und enthält auch einen Kriminalfall. Doch das soll jeder selbst entdecken, denn… Jonathan Franzen – Unschuld weiterlesen

E. L. Doctorow – In Andrews Kopf

Ich hatte mich sehr auf das Erscheinen des neuen Romans von E. L. Doctorow gefreut. Leider wurde die Freude durch die Nachricht seines Todes im Juli getrübt, gehört Doctorow doch zu den Autoren, mit denen ich meine Vorliebe für die amerikanische Literatur verbinde. Sein Roman „Ragtime“ war eines der ersten Bücher aus dem Regal der „Erwachsenenliteratur“, dass ich gelesen habe. Mit „Billy Bathgate“, dem Jungen an der Seite des Gangster-Bosses Dutch Schultz (wunderbare Verfilmung mit Dustin Hoffman), war ich schließlich zum treuen Leser geworden.

Doctorow gilt in Amerika als Autor, der historische Stoffe in anspruchsvolle und trotzdem verständliche Romane verpackt. Seine mit Preisen ausgezeichneten Bücher gehören zum Kanon der amerikanischen Literatur. Eines der herausragendsten Werke von ihm ist für mich der Roman „Der Marsch“, in dem der amerikanischen Bürgerkrieg thematisiert wird. Wie nebenbei erhält man eine Lektion in amerikanischer Geschichte, während Doctorow eine bunte Mischung von Protagonisten in die historischen Ereignisse einbindet. Sein Augenmerk gilt den Beteiligten, egal welcher Herkunft sie sind oder auf welcher Seite sie stehen. Tiefgründig beleuchtet er menschliche Verhaltensweisen und lotet die humanen Grenzen innerhalb eines Krieges aus.

US-Präsident Barack Obama würdigte Doctorow nach seinem Tod:

„E.L. Doctorow was one of America’s greatest novelists. His books taught me much, and he will be missed.“

„In Andrews Kopf“ ist nun das letzte Werk des Dichters, ein schmales Bändchen, dass seine Anziehungskraft sofort entfaltet und vom Leser absolute Aufmerksamkeit erfordert. Am Ende wird man mit einem außergewöhnlich konstruierten und ziemlich komischen Buch belohnt. E. L. Doctorow – In Andrews Kopf weiterlesen